Karriere

10 Schritte – dein Karrierebooster in der Elternzeit

Während meiner Arbeit mit jungen Familien habe ich viele Eltern kennengelernt, die vor ihrer Babypause unzufrieden im Job waren und danach unzufrieden und schlechter gestellt. Da war die Filialleiterin, die nach ihrer Elternzeit zur Verkäuferin degradiert wurde, die Managerin, die nur noch Sachbearbeitung machen durfte, der Betriebsleiter, der seinen Job verlor, weil er als Vater und nach zwei Monaten Elternzeit weniger Überstunden leistete und die Vertrieblerin, die eine Woche nach ihrer Rückkehr die Kündigung per Taxi bekam. Warum werden junge Eltern, insbesondere Mütter, nach ihrer Elternzeit noch immer benachteiligt?

Es ist 2022, wir hypen Sabbaticals. Krankenkassen schreiben positiv über diesen Trend, der Stress reduziert und die Gesundheit fördert. Aber: Wenn wir nach unserer Rückkehr so weiter machen, wie vorher, ist der Stress nach sechs Monaten wieder zurück. Nach einer Elternzeit haben wir noch mehr Stress: Degradierung im Job, weniger Gehalt durch Teilzeit und der Kampf gegen Vorurteile. Unflexible Arbeitgeber beschwören schlechte Mitarbeiterperformance herauf, statt sie durch familienfreundliche Maßnahmen zu vermeiden.

Wie du deine Elternzeit nutzen kannst, um danach beruflich besser gestellt zu sein, verrate ich dir hier:

1. Spare für deine Elternzeit

Als Paar stehen euch jeweils drei Jahre Elternzeit zu, aber zusammen habt ihr maximal 14 Monate Anspruch auf Elterngeld. Du und dein*e Partner*in solltet also ab Kinderwunsch oder spätestens ab dem positiven Schwangerschaftstest ein finanzielles Polster aufbauen. So habt ihr weniger Druck und die Möglichkeit, in euch selbst zu investieren. Wie viel du brauchst, hängt von deiner finanziellen Situation ab und wie lange du in Elternzeit sein willst.

Tipp: Minimalismus geht auch mit Kind! Für euer Baby braucht ihr Nahrung, Windeln, Bekleidung (2nd-Hand suchen), eine Babyschale (nach Beratung im Fachhandel kaufen) und eine Babytrage. Mehr nicht! Es gibt so viel Unsinn zu kaufen und die Hälfte davon werdet ihr niemals benutzen, also spart es euch.

2. Notiere deinen (beruflichen) Status Quo

  • Rückblickend: Was hast du in den letzten zwei Jahren erreicht? Was war besonders und was weniger gut? Was hat dir Spaß gemacht?
  • Aktuell: Wo stehst du? Bist du glücklich und zufrieden mit deinem Job? Passt er zu deinen Werten? Was ist dir persönlich wichtig? Wo liegen deine Stärken? Was gibt dir Energie?
  • Zukünftig: Wie fühlst du dich bei dem Gedanken an die Rückkehr in deinen Job? Möchtest du Vollzeit oder Teilzeit arbeiten? Lässt dein Gehalt eine Reduzierung der Stunden zu? Ist ein Gehaltssprung realistisch oder nur mit einem Jobwechsel erreichbar? Willst du den Schritt in die Selbständigkeit wagen? Wo willst du in fünf, in zehn Jahren stehen? Möchtest du weitere Kinder?

Am spannendsten fand ich die Frage, was ich machen würde, wenn ich zwei Jahre lang bedingungslos 2.000 € monatlich bekäme. Eins war für mich ganz klar: ein längeres Praktikum im Einzelhandel. Das war die einzige Erfahrung, die mir zu meiner Wunschselbständigkeit noch fehlte. Jahrelang war ich nebenberuflich selbständig im Bereich Marketing und Kommunikation. Hieran wollte ich nach meiner Elternzeit anknüpfen und einen kleinen Laden eröffnen. Mir war auch klar, dass ich mit Baby nicht weiter drei Stunden täglich für meinen 40+Std.-Job pendeln will – obwohl meine Chefin mir anbot, dass wir eine Tagesmutter einstellen, damit ich mein Baby regelmäßig während der Arbeit stillen könnte. Sie hatte ihre Kinder mit im Büro, für mich war das unvorstellbar.

3. Suche dir Unterstützung

Wenn du nicht alleinerziehend bist, sollte dein*e Partner*in deine größte Unterstützung sein – ihr schenkt euch gegenseitig freie Stunden. Über ein Jahrhundert, haben Frauen ihren Männern den Rücken freigehalten. Sie wurden in die Rolle der Hausfrau und Mutter gedrängt, haben das Heim sauber gehalten und brav konsumiert, während ihre Männer Karriere machten und für das Einkommen verantwortlich waren. Ihr solltet euch gegenseitig unterstützen und die Care-Arbeit gerecht aufteilen.

Eltern und Schwiegereltern sind Gold wert. Wir sind nach 1,5 Jahren mit Baby wieder in meine Heimatstadt gezogen, um näher an meinen Eltern zu sein. So hatte ich regelmäßig stundenweise frei, um mich um mich selbst kümmern zu können. Auch meine Schwiegermutter kommt oft für ein paar Tage zu Besuch und unterstützt uns.

Wenn du andere Eltern gefunden hast, die mit dir auf einem Level sind – ob durch Krabbelgruppe, KiTa, Babyschwimmen oder sonst wo – halte sie dir warm. Ihr könnt euch gegenseitig freie Nachmittage bescheren oder einfach mal zusammen über Gutes und Schlechtes austauschen.

Tanten, Onkel, Freund*innen… Nimm‘ Hilfe an, wenn sie dir angeboten wird. Du hilfst auch ständig, oder nicht? Meine Freundin ist unsere ganz persönliche Mary Poppins. Wenn sie zu Besuch ist, wird mit den Kindern gebacken, gekocht, gespielt, gemalt… und abends hat unsere Mary dann auch noch Zeit für ein Bierchen oder ein Glas Wein mit mir. Wenn sie bei uns übernachtet, duftet es morgens nach veganen Käsebrötchen oder Pfannkuchen. Wenn du so einen Menschen gefunden hast, lass ihn nie wieder gehen.

4. Investiere in dein Humankapital

Du wolltest schon lange eine Weiterbildung machen, eine Sprache lernen oder dich autodidaktisch mit neuen Themen beschäftigen? Jetzt ist der beste Zeitpunkt dafür. Nach dem Wochenbett, wenn du dich langsam wieder einem Schlafrhythmus näherst und ihr euch als Familie neu gefunden habt, darfst du dir täglich Zeit für deine Bildung nehmen. Besorge dir Bücher (Spartipp: städtische Büchereien sind hervorragend ausgestattet) und recherchiere im Internet. Es lässt sich hervorragend lesen, während dein Baby in deinem Arm schlummert oder an der Brust nuckelt.

Ich habe in meiner Elternzeit eine Weiterbildung zur Projektmanagerin (IHK) absolviert, einen Kurs zum Thema DSGVO belegt und CEVA’s Affective Vegan Advocacy Training besucht. Außerdem habe ich viele Bücher gelesen – über Ernährung, Kindererziehung, Minimalismus, Hochsensibilität… und meine Fremdsprachen durch Bücher, Filme und Serien im Originalton verbessert. Tipp: Wenn du noch nicht ganz fit im Verstehen bist, lasse dir die fremdsprachigen Untertitel einblenden. Oft hilft es, gleichzeitig zu hören und und lesen.

5. Suche dir ein Ehrenamt

Du darfst in deiner Elternzeit Dinge tun, die dir ein Gefühl von Wertschätzung geben – zusätzlich zum Mama oder Papa sein. Ehrenamtliches Engagement macht glücklich, lässt dich netzwerken, soziale Verantwortung erfahren und vielleicht sogar in anderen Berufsfeldern stöbern .

Als Leiterin einer ProVeg-Regionalgruppe habe ich regelmäßig Infostände organisiert, um Fragen zu veganer Ernährung zu beantworten. Wir haben Spenden gesammelt (u. a. beim Vegan Bake Sale für unseren Tierschutzverein) und über Jahre einen monatlichen Mitbringbrunch organisiert. Sogar einen kleinen, veganen Weihnachtsmarkt habe ich auf die Beine gestellt, mit Live-Band, einer Feuerschluck-Performance und Simone Sombecki als Gästin.

Auch als Foodsaverin habe ich viele tolle Menschen kennengelernt, die aktiv und gut vernetzt sind. Ich durfte einen Kinoabend mit Brunch mitorganisieren, zu dem die Regisseure zum Talk eingeladen waren – leider hat uns Corona damals einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Und als ich im Zuge meiner Minimalismus-Challenge unsere Schlafsäcke aussortiert habe, habe ich einfach mehrere Pakete Kaffee, Zucker und Konserven gekauft und alles zur Bahnhofsmission gebracht (mit Baby im Kinderwagen). Dafür gab es ein tolles Gespräch und einen Kaffee mit der Chefin.

6. Suche dir frühzeitig eine wundervolle Fremdbetreuung

Ich komme aus dem Westen. Meine Mutter war jahrelang Hausfrau. Ich kam erst mit vier Jahren in den Kindergarten und nur für drei Stunden pro Tag. Mehr war nicht üblich, die Betreuungszeit endete mittags. Auch die Schule war nach vier Stunden vorbei. Bei meinem Mann war es ganz anders. Er ist im Osten aufgewachsen. Im ersten Lebensjahr kam er in die Krippe, von morgens bis nachmittags und auch der Kindergarten und die Schule gingen bis in den Nachmittag. Die Ferien hat er bei Oma verbracht.

Für mich war es schwierig, meine Kinder in den Kindergarten zu bringen. Aber es war richtig. Wir haben großes Glück mit unserem Waldorfkindergarten, in dem vegetarisch (für uns vegan) gekocht wird. Der Betreuungsschlüssel ist hoch und die Kinder werden einfühlsam und individuell begleitet. Andere Konzepte haben mich nicht überzeugt und ohne diesen Platz wären unsere Kinder länger zu Hause betreut worden.

In manchen Städten musst du schon in der Schwangerschaft oder früher recherchieren, welche Betreuungsmöglichkeiten in Frage kommen. Höre auf dein Herz und nimm nicht die erstbeste Möglichkeit!

7. Schreibe Bewerbungen

Ob du den Job wechseln oder deinen Marktwert kennen willst, Bewerbungen helfen dir, wieder ein Gefühl für dich und neue berufliche Möglichkeiten zu bekommen. Du hast schon lange keine Bewerbungen mehr geschrieben? Dann mach dich schlau, wie Anschreiben und Lebensläufe überzeugend gestaltet werden. Tipp: Suche speziell nach familienfreundlichen Unternehmen und solchen, die zu deinen Werten passen.

Als ich aufgehört habe, Familienstand und Elternzeit im Lebenslauf zu erwähnen, haben sich fast alle Unternehmen positiv zurückgemeldet – vorher kaum die Hälfte. Ohne diese Angaben bekommst du eher einen Fuß in die Tür und kannst beim Bewerbungsgespräch mit deinen Stärken und Erfolgen überzeugen und dann auch die Familie erwähnen. Eltern sind verantwortungsvoll, organisiert, stressresistent, realistisch und pragmatisch – und dadurch Arbeitnehmer mit Mehrwert.

Noch ein Tipp: Wenn dir ein Unternehmen ohne passende Stellenausschreibung zusagt, bewirb dich initiativ oder auf einen Job, für den du überqualifiziert bist. Die Prokuristin eines bekannten deutschen Unternehmens erzählte mir kürzlich, dass es schon lange nicht mehr so ist, dass Arbeitnehmer*innen gesucht werden, die perfekt auf eine ausgeschriebene Stelle passen. Vielmehr werden Stellen an qualifizierte Bewerber*innen angepasst. Unternehmen sind froh, wenn sie gute Fachkräfte finden und gehen gerne Kompromisse ein, um sich zu bereichern.

8. Bilde Netzwerke

Wenn du gerne Krabbelgruppen, Elternabende, Bastelkreise und ähnliche Veranstaltungen besuchst, hast du jetzt die Gelegenheit, dich mit Menschen zu vernetzen, die du sonst nicht kennenlernen würdest. Du kannst auch dein Ehrenamt, Weiterbildungen oder regionale Business-Treffs zum Netzwerken nutzen. Oder ist da vielleicht noch die eine Freundin von früher mit dem spannenden Job oder den guten Beziehungen, bei der du dich mal wieder melden könntest? Chancen tun sich gerne dort auf, wo man sie nicht erwartet.

Bleibe auch sporadisch in Kontakt mit deinen Kolleg*innen und Vorgesetzten. So bleibst du auf dem Laufenden und zeigst Interesse am Unternehmen.

9. Schreibe einen Business-Plan

Du willst dich selbständig machen? Besuche Start-Up-Events und setze dich mit den kaufmännischen Voraussetzungen auseinander. Brauchst du einen Kredit? Dann brauchst du einen Business-Plan! Und bestenfalls hast du eine*n Mentor*in oder Berater*in.

Als Selbständige habe ich junge Existenzgründer*innen und die, die es werden wollten, bei kaufmännischen Fragen und im Marketing beraten. Sich selbständig machen ist mit Risiko verbunden – in einigen Branchen scheitern über 60 % der Unternehmen in den ersten fünf Jahren.

Zwei wichtige Stichpunkte:

  • Lean Start-Up ist die ideale Lösung, um effektiv, schnell und relativ risikoarm mit einer Idee an den Markt zu gehen. Das funktioniert mit einem guten Netzwerk, Branchen- und Fachwissen und Flexibilität. Lean Start-Up hilft dir, deinen Business Plan und deine Prozesse schlank zu halten, immer wieder anzupassen und von Anfang Lernerfolge zu schaffen. Eine meiner Kundinnen, der das Kapital für ein eigenes Café fehlte, organisierte einfach kleinere Veranstaltungen und Verkaufsstände, um ein Gefühl für den Einkauf, Preise und Mengen zu bekommen, Kunden-Feedback zu sammeln und Kapital anzusparen.
  • Kümmere dich um deine Buchhaltung! Als ich in einem meiner Jobs für eine Rechtsanwaltskanzlei Mahnbescheide erstellt habe, habe ich gelernt, wie schnell aus kleinen Rechnungsbeträgen große Schulden werden. Ich kenne diese Situation im privaten Umfeld und beruflich mittlerweile so gut: Einzelunternehmer*innen mit Einkaufstaschen und Pappkartons – vollgestopft mit Rechnungen, Mahnungen, Inkassobriefen und Mahnbescheiden. Hier eine Ordnung zu finden dauert Tage und wenn es ganz schief gelaufen ist, ist die Existenz gescheitert. Übrigens: Ein (Klein-)Unternehmen zu haben, bedeutet immer, gewinnorientiert zu arbeiten. Das Finanzamt prüft ganz genau, ob du einer Liebhaberei nachgehst oder Gewinn erzielst.

Um Zeit für meine Selbständigkeit zu haben, finanziell abgesichert und weiterhin versichert zu sein, bin ich damals von Vollzeit in Teilzeit gewechselt. Es war eine Doppelbelastung, die in meiner Situation und ohne Kinder hervorragend funktioniert hat.

10. Erkenne die Vorteile von Teilzeit

Homeoffice, 4-Tage- oder 30-Stunden-Woche, Gleitzeit und Jobsharing sind nur wenige Stichpunkte von New Work. Unternehmen umwerben (zukünftiges) Personal. Statt einer Work-Life-Balance streben wir das Verschwimmen dieser Grenzen an, um Leben und Arbeiten im Alltag produktiv miteinander zu verbinden. Wer heute Fachkräfte sucht, muss sich präsentieren, u. a. mit agilen Arbeitszeitmodellen. Und Studien zeigen, dass die Produktivität dadurch steigt.

Auf der anderen Seite: wenn junge Eltern, vor allem Mütter, nach ihrer Elternzeit in Teilzeit zurückkehren, fangen wir an, sie zu bedauern. Es geht um Gehaltseinbußen, Rentenlücke, Abhängigkeit vom Partner, Benachteiligung etc. Warum pushen wir hier nicht die Vorteile und beseitigen die Nachteile?

Lassen wir New Work auch für Mütter gelten. Das funktioniert, sehr gut sogar. Wichtig ist es, die Gender-Pay-Gap zu schließen. Wenn du weißt, dass du mehr wert bist, als du bekommst, sprich offen (und vorbereitet!) mit deinen Vorgesetzten über eine Gehaltserhöhung. Fang an, mit Kolleg*innen, Freund*innen und Bekannten über Geld zu reden, damit es ein offenes Thema wird. In Deutschland ist es leider immer noch ein Tabu – wobei Männer weniger Probleme damit haben als Frauen. Und wenn es mit der Gehaltserhöhung nicht klappt, bewirb dich. Lass dich nicht vertrösten!


Was fällt dir noch zum Thema Karriere und Elternzeit ein? Hast du bereits Erfahrungen gemacht? Gute oder schlechte?

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